Die 15. Infanteriedivision im Zweiten Weltkrieg Besatzungszeit in Frankreich Nach Beendigung des Frankreich-Feldzuges wurde dem Divisionskommandeur Generalleutnant Chappuis, “dessen Schwung und persönliche Tapferkeit die Division zu ihren großen Erfolgen mitgerissen hatte” (Zitat Willemer [1]), das dritte Ritterkreuz der Division verliehen. Nach einigen Ruhetagen wurde die Division aus dem Raum Nevers in die Landschaft Burgund verlegt. Vom 7.7. bis 15.7. 1940 marschierte sie in die Arrondissements Beaune und Montbard und übernahm die Sicherung der Demarkationslinie durch I.R. 81 und 88 bis zum 8.8.1940. Die 15. I.D. unterstand in dieser Zeit dem XXVII. Armeekorps (General Wäger) und gehörte zunächst zu 12., später zur 1. Armee (Generaloberst Blaskowitz). Am 8.8. wurde die Division weiter nach Norden verlegt; der Divisionsstab bezog das Schloss Commarin, ca. 35 km westlich von Dijon und verblieb dort bis zum Abtransport an die Ostfront. Am 24.8. verließ Generalleutnant Chappuis die Division. Er übernahm zunächst das Kommando über die 16. mot. I.D., später über ein Armeekorps. Nachfolger wurde General Hell. [ Quelle: 1 ] Der damalige Hauptfeldwebel der 14. Kompanie des Infanterieregiments 88, Rudolf Hedicke, schrieb nach dem Krieg seine Erinnerungen an die Besatzungszeit in Frankreich 1940/41 in einem Bericht zusammen: “Erlebnisse in und aus Ravieres Juni 1940- Nevers. “Das Ganze: Halt!”. Der Frankreichfeldzug war beendet. In der zweiten Hälfte 1940 war die [14.]Kompanie [des I.R.88] in dem kleinen Städtchen Ravieres unterge- bracht. Das Regiment lag mit den anderen Kompanien verstreut in den Dörfern ringsum. Ca. ein Jahr sollte es dauern. Ich weiß es noch wie heute. Vom Quartiermacher wurden Feldwebel Becker und ich in das Cafe am Markt (Familie Abbelos) eingewiesen. Auch die Schreibstube wurde dort in einem Nebenraum untergebracht. Beim Eintreffen im Cafe stand uns ein junges Mädchen (18 oder 20) gegenüber. Ihre Augen funkelten böse. Es war Yvonne, die Tochter der Familie Abbelos. Kein Wunder, in Ravieres hatte man vorher noch nie deutsche Soldaten gesehen. Auf Plakaten und Büchern wurde immer nur der böse, bluttriefende deutsche Soldat geschildert. Nun gut, ich erhielt als Quartier ein großes Zimmer zugewiesen. Das sogenannte Fürsten- zimmer, mit Balkon und Blick auf den Markt. Bis auf ein Bett, war der Raum vollkommen leer, kein Tisch, kein Stuhl war vorhanden. Also Ablage der Sachen auf dem Boden. Der Hausherr stellte sich vor, Monsieur Freddy Abbelos. Er war Flame, sprach also ganz gut deutsch und das war für die Verständigung ganz gut. Seine Frau war Südfranzösin, konnte also kaum deutsch. Ich habe im Bett immer gern noch ein wenig gelesen. Es war ein bisschen schwierig, weil nur eine Deckenlampe brannte, aber es ging. Madame Abbelos hatte wohl beim Bettenmachen unter dem Kopfkissen mein Buch gefunden. Nun verklickerte sie mir, ob ich gern eine Taschenlampe haben möchte. Ich bekam eine und oh Wunder, plötzlich kamen Teppiche ins Zimmer und Tisch und Stühle und auch Bilder, die vorher dort gehangen hatten. Man hatte wohl ein wenig von der verständlichen Angst verloren. Unsere Gulaschkanone mussten wir nach einigen Tagen stilllegen, weil inzwischen alle Kameraden bei ihren Quartierleuten eingeladen waren. In einem verlassenen Cafe in der Nähe wurde ein Kameradschaftsheim eingerichtet. Mit Fw. Becker ging ich abends immer dorthin. Man konnte dort lesen, schreiben, Musik hören, Karten und Schach spielen und miteinander sprechen. Freddy fragte uns eines Tages, warum wir immer ausgingen und ob es uns in seinem Haus nicht gefallen würde. Wir sagten ihm, warum. Dann meinte er, ob es uns freuen würde, wenn nach unserer Rückkehr etwas Gebruzzeltes und eine kleine Flasche Champagner oder Rotwein auf uns warten würde. Wir hatten selbst- verständlich nichts dagegen. So ging alles seinen Gang. Alfred Becker hatte im Feuerwehr- gerätehaus eine Werkstatt eingerichtet. Unsere Fahrzeuge und Geschütze brauchten ja Wartung. Und Weihnachten hatte er zum freudigen Erstaunen der Bevölkerung einen Weihnachtsbaum mitten auf dem Marktplatz aufgestellt, mit Autobirnen als Kerzenersatz. Aber vorher geschah noch etwas anderes. Eines Tages kam Madame Abbelos ganz aufgeregt zu mir. “Oh Monsieur Rudi, grand Mallheur”- Was war geschehen? Nun, Freddy hatte wieder einmal viel geredet, so u.a. er sei Kommunist usw. (Dabei war er alles andere als das), aber es war falsch aufgefasst worden und die Feldgendarmerie lag auf der anderen Seite des Marktplatzes. Ich ging also hinüber und nach längerer Diskussion gelang es mir, Freddy wieder frei zu bekommen. Großes Fest! Eines Tages kam ein Advokat und ein Franzose zu uns auf die Schreibstube. Beide beklagten sich bitter. Ein Soldat hatte beim fröhlichen Umtrunk mit anderen Kameraden und dem Quartierwirt im Übermut eine Flasche durch das geschlossene Fenster geworfen. Kurz und gut, die übermütigen Zecher wurden kurzerhand ausquartiert und in einem Raum über der Schreibstube (auf Stroh) untergebracht. Aber schon nach wenigen Tagen kam der Advokat und der Franzose wieder. Der Franzose sagte, er halte es nicht mehr aus, alle Nachbarn .... [Passage unleserlich].... doch wieder zu ihm zu schicken. Nun gut, ein oder zwei Tage mussten sie noch schmoren, dann durften sie wieder in ihr Quartier. Am Tage darauf meldete der Unteroffizier vom Dienst, Feldwebel Halm, bei seinem Rundgang am Abend sei in dem fraglichen Quartier wieder allerhand los gewesen. Aber diesmal habe der Hausherr eine Flasche durch das geschlossene Fenster geworfen und dabei laut gelacht. Am Wochenende besuchten wir immer das öffentliche Bad. Freddy meinte, wir sollten doch im Hause baden. Bisher wussten wir gar nicht, dass ein Bad vorhanden war. Wir haben es künftig gern genutzt. Natürlich hatten unsere jungen Offiziere und auch andere Kameraden auf die hübsche Yvonne (unsere Quartierstochter) und auch auf ihre Cousine Yvette, die häufig zu Besuch kam, ein Auge geworfen. Madame bat mich deshalb um Schutz. Es war sicher nicht notwendig, aber ich tat ihr den Gefallen. Alles geht einmal zu Ende. Kurz vor Ostern 1941 kam der Geheimbefehl. Unsere Kompanie müsse um Mitternacht abrücken und wieder zum Regiment stoßen. Wie es durchgesickert ist, weiß niemand. Jedenfalls kamen die französischen Quartierleute alle mit Blumen, um uns zu verabschieden. Es war kaum zu fassen. Unsere Kfz.-Kolonne war ein einziger Blumencorso. Nach einigen Kilometern Fahrt wurde angehalten und abgeladen, denn so konnten wir nicht beim Regiment erscheinen. Es war den Franzosen nicht erlaubt, unter Benutzung der Feldpostnummer an uns zu schreiben. Meine Quartierleute taten es dennoch. Wie sie das durchgeschmuggelt haben, habe ich nie erfahren. So bekam ich regelmäßig in Russland Post aus Ravieres auf französisch. Sie schilderten mir, was so alles nach unserem Abzug passiert war. Ich antwortete immer auf deutsch. Später kam ein Brief, da stand drin, dass Freddy nach unserem Abzug Angst bekommen habe, wieder verhaftet zu werden. So war er bei Nacht und Nebel nach Marseille ausgerückt und dann per Schiff nach Amerika gefahren. Dort war er dann Koch in einer amerikanischen Einheit und mit dem Einmarsch der Amerikaner kam er wieder zurück. Als der Krieg aus war und es den Deutschen wieder erlaubt war, Briefe ins Ausland zu schreiben, schickte ich einen Brief nach Ravieres. Wie würde man reagieren ? Wir waren schließlich einmal Besatzer. Die Antwort kam schneller als erwartet und diesmal auf deutsch; ein Lehrer hatte geholfen. Es war ein langer Brief. Man schrieb mir, was so alles los war. Was die Eier, die Butter und das Brot jetzt kostete, was die Nachbarn so machten, auch die ehemalige Metzger-Quartierfrau von Kurt Löwe und vieles mehr. Aber zum Schluss des langen Briefes stand: “Siehst Du Rudi, jetzt geht es Euch so, wie damals uns. Aber das gilt nicht für Dich, Du gehörst schließlich zu unserer Familie. Und eines müssen wir Dir noch sagen: Die Disziplin von Euch deutschen Soldaten war doch sehr viel besser, als die unserer Befreier, der Amerikaner.” Als Reisen ins Ausland wieder gestattet waren, habe ich mir ein Herz gefasst und bin mit meiner Frau und mit unserem Auto nach Ravieres gefahren. Als wir auf dem Marktplatz ausstiegen, kehrte Freddy mit einem Besen den Fußweg vor seinem Cafe. Er blickte auf und erkannte mich. Ein Aufschrei “Monsieur Rudi!” und voller Freude umarmte er uns. Es war ein freudiges Wiedersehen. Später hat uns Freddy und seine Frau nach einer Rheintour in unserem Haus besucht. - Leider sind beide kurz nacheinander verstorben. Vielen von unseren Landsleuten, die damals den deutschen Soldaten immer verunglimpften, habe ich den oben erwähnten letzten Satz meiner französischen Quartiersleute vorgelesen. Fazit: Auch in schweren Kriegszeiten gab es schöne Augenblicke.” [ Quelle: 48 ] Dienstlich wurde die Besatzungszeit intensiv für die Truppenausbildung genutzt. Es fanden u.a. statt: Kompanieführerlehrgänge der Armee in Dijon Gasschutzlehrgänge in Celle und Besancon Reitlehrgänge in Mühlhausen Pionierlehrgänge in Straßburg Nachrichtenlehrgänge in Besancon Bald spezialisierte sich die Ausbildung im Hinblick auf das geplante Unternehmen “Seelöwe”, den Angriff auf England. Es fanden diesbezüglich Ausbildungslehrgänge an der Kanalküste bei Le Havre und auf dem Wasserübungsplatz Le Tréport statt. 300 Offiziere, Unteroffiziere und Mannschaften wurden dorthin gesandt. Die Leitung dieser speziellen Ausbildung oblag dem General des XXIV. Armeekorps, General Geyr von Schweppenburg. Unter seinem Kommando sollte die 15. I.D. mit der dritten Welle über den Ärmelkanal gehen. Als das Unternehmen “Seelöwe” schließlich abgesagt wurde, änderten sich auch die Ausbildungsinhalte der Division wieder in Richtung der herkömmlichen Infanterieausbildung. Dazu zählten auch intensive Übungsmärsche. Foto zur Verfügung gestellt von www.photo-war.com Ende Oktober 1940 musste die Division wiederum fast ein Drittel ihrer Kampfgruppen für Neuaufstellungen (u.a. für die Aufstellung der 113. I.D. auf dem Truppenübungsplatz in Grafenwöhr) abgeben und die entstandenen Lücken auffüllen und ausbilden. Hierzu wurden u.a. die III. Bataillone der Infanterieregimenter abgegeben. Außerdem wurden 15% der Mannschaften für die Rüstungsindustrie “UK gestellt”. [ Quelle: 1, 31 (BA-MA RH 26-15 / 4) ] Foto zur Verfügung gestellt von www.photo-war.com Am 27. November 1940 wurde das Infanterieregiment 81 nach Paris in Marsch gesetzt und wurde dort Besatzungstruppe. Der Regimentskommandeur Oberst Pawel war vom Februar bis April 1941 Kommandeur des Wachregiments Paris. [ Quelle: 31 (BA-MA RH 26-15 / 4) ] Mitte Januar 1941 wurde der Ia der Division, Major i.G. Ranck in den Stab AOK 11 versetzt, Nachfolger wurde Oberstleutnant i.G. Kossmann. [ Quelle: 1 ] Das Schloss Commarin, von August 1940 bis zur Verlegung an die Ostfront im Juni 1941 Sitz des Divisionsstabes der 15. I.D. [Quelle: Christophe Finot, wikimedia.org] Soldaten des I.R. 81 in Paris Übungen zum Unternehmen "Seelöwe" Deutsches Propagandaplakat in Paris "Moulin Rouge" in Paris - vielleicht noch berühmter als der Eifelturm Übungen zum Unternehmen "Seelöwe" Deutsches Propagandaplakat in Paris Deutsches Propagandaplakat in Paris Gebotstafel für die deutschen Soldaten in Paris. Auf diszipliniertes Verhalten wurde streng geachtet. Lehrgänge Paris Unternehmen Seelöwe Übungsmarsch einer Tross-Einheit der 15. I.D.  in Frankreich 1940 (aus einem Soldatenalbum, www.photo-war.com) Soldat einer Trosseinheit der 15. I.D. beim Ritt auf "Pascha"- Frankreich 1940 (aus einem Soldatenalbum, www.photo-war.com)