Die 15. Infanteriedivision im Zweiten Weltkrieg Im Kessel der 6. Armee 23. - 28. August 1944 Befehlsgemäß tritt der Rest der 15. I.D. in der Nacht vom 22. auf den 23. August den Rückzug an. Dabei marschiert sie unter mehreren zusammenhanglosen Rückzugsgefechten etwa 25 km weit und erreicht den Raum von Emental, wo tagsüber am 23. August wiederum Angriffe abgewehrt werden. Am Abend wird der Rückzug weiter fortgesetzt. Bevor alle Teile den Bodna-Abschnitt bei Emental überschreiten können, dringen auch schon die Sowjets in den Ort ein. Die Nachhut der 15. I.D. wird hierbei zersprengt und zahlreiche Fahrzeuge gehen verloren. Am 24. August 1944 wird am Morgen die Gegend von Corbuna erreicht. Das Chaos verstärkt sich. Verbände des XXX. Armeekoprs und die der benachbarten Korps geraten durcheinander, Nachrichtenmittel sind entweder nicht mehr vorhanden oder nicht betriebsbereit. "Trotzdem wurde zu dieser Zeit innerhalb der [15.] Division immer noch "geführt". Die Offiziere des Divisionsstabes und die bewährten Truppenkommandeure versuchten immer wieder, durch persönliche Einwirkung die Truppenteile zu ordnen [und] mit klaren Marschzielen und Kampfaufträgen zu versehen." (Willemer [1], S. 202) Von nun an steht der Rückzug unter dem Zeichen "Feinde ringsum". Von östlicher Richtung drängen die Sowjets scharf nach, von Süden aus stoßen sie in die Flanken der deutschen Marschkolonnen im Westen verlegen sie sich zu beiden Seiten des Pruth den Rückmarsch- bewegungen vor, und aus der Luft beschießen und bombardieren die roten Schlachtflieger pausenlos die deutschen Truppen. Die Versorgungstruppen der 15. I.D. unter der Führung von I b Hauptmann Gerloff entkommen als einzige geschlossene Einheit dem Untergang, da sie vor den Angriffspitzen rechtzeitig ausgewichen waren. Versorgungsschwierigkeiten treten für die Truppen der 15. I.D. dennoch nicht auf, da die Soldaten aus den überall herumstehenden, verlassenen Trossfahrzeugen genügend Lebensmittel entnehmen können. Doch fehlt es überall an Trinkwasser für Menschen und Pferde. Die spärlichen Dorfbrunnen sind dem großen Andrang nicht gewachsen. Auch am 24. August kämpft die 15. Infanterie-Division im Raum von Carbuna. Sie erhält den Befehl, kommende Nacht in die Gegend westlich von Gura Galbena zu verlegen. Da setzt am Abend ein heftiger Gewitterrergen ein. Dieser führt dazu, dass die schlechten Wege, die westlich Carbuna durch ein Waldgebiet führen, aufweichen und somit für schwere Fahrzeuge unpassierbar werden. Das A.R. 15 bleibt hängen. Verzweifelt versuchen die Männer dieses Regiments, die Fahrzeuge wieder flott zu machen. Die Zeit drängt, schon dringen die russischen Angreifer nach. Trotz aller Anstrengungen scheitern alle Versuche, die Geschütze wieder flott zu machen. So schwer es fällt dies zu befehlen: Die Geschütze müssen gesprengt werden. Hierüber berichtete der Hauptmann a.D. Pforte (wiedergegeben in [1], S. 202): "... Bereits im Anfangsteil des Weges hatten wir Schwierigkeiten mit den Geschützen, da sich die Pferde kaum in dem glitschigen Schlamm halten konnten. Vor uns waren Fahrzeuge der 257. I.D. noch bei trockenem Weg bereits hängen geblieben. An beiden Seiten standen intakte Fahrzeuge mit Material, Verpflegung usw. Da wir tagelang keine ordnungsgemäße Versorgung gehabt hatten, war hier eine Gelegenheit, unsere Vorräte aufzufrischen. Etwa am halben Bergrutschte eines der schweren Geschütze seitlich ab und war trotz Um- und Zuspannens anderer Pferde sowie den Anstrengungen zahlreicher Männer nicht mehr flott zu machen. Hinter uns zeigte Gefechstlärm, dass uns die russische Infanterie dichtauf folgte. Da an eine Rettung der Geschütze nicht mehr zu denken war, erhielt ich von Oberst von Schoen-Angerer den Auftrag, die Sprengung der Geschütze zu befehlen. Ich glaube, ich brauche mich der aufsteigenden Tränen in meinen Augen nicht zu schämen, als ich diesen Befehl durchgab. Ungläubig sahen sich die Männer meiner alten Batterie an und konnten es nicht fassen. Die Zeit drängte und ich ging von Batterie zu Batterie. Die Pferde wurden ausgespannt und das notwendigste mitgenommen, die Geschütze zur Sprengung vorbereitet. Jeder Mann machte sich beritten. Der Morgen dämmerte schon, als wir den Wald durchschritten hatten. Hinter uns waren die dumpfen Detonationen der Sprengungen zu hören. Das war das bittere Ende unseres so stolzen Artillerieregiments, das während des ganzen Feldzuges so viel Ruhm an seine Fahne geheftet hatte, und dadurch weit über die Korpsgrenzen hinaus bekannt wurde. Nach meiner Erinnerung wurden 20-25 leichte und 3 schwere Feldhaubitzen vernichtet." Der 25. August 1944 steht im Zeichen der beginnenden Auflösung. Verbände verschiedenster Korps der 6. Armee werden vom Gegner - zusammengeballt und völlig durcheinander geraten - zur Flucht gedrängt. Wie sich die Teile gerade zusammen finden, versuchen sie, sich einen Weg durch den Feind zu erkämpfen. Dieser feuert erbarmungslos mit Panzern und Schlachtflugzeugen in die Kolonnen. Der Kommandierende General des XXX. Armeekorps versucht am Morgen noch persönlich, ordnend einzugreifen. Doch ist die Übersicht inzwischen völlig verloren gegangen. Der Rückzug wandelt sich endgültig in Flucht. Jeder Soldat weiß, dass der Kessel geschlossen ist und dass es jetzt darauf ankommt, nach Westen über den Pruth durchzubrechen. Immer noch wird den koordinierenden Befehlen zu diesem Zweck Folge geleistet. Panikstimmungen soll es lt. Willemer nur unter der direkten Einwirkung der russischen Panzer und Schlachtflieger geben. Grausam ist die Situation, dass die Verwundeten nicht mehr mitgeführt werden können. Am Abend versucht die Masse der 15. I.D. - völlig vermischt mit anderen Verbänden - aus der Gegend Gura Galbena zum Pruth durchzubrechen. Bis zum Morgen geht es vorwärts. Mehrmals werden russische Riegelstellungen mit "Hurra" gestürmt und durchbrochen. Doch setzen im Lauf des Tages schwere russische Panzerangriffe ein. "Große Teile der Division wurden an diesem Tage vernichtet. Anderen Gruppen gelang es, bis auf eine versumpfte Pruth-Insel vorzudringen. Hier sammelten sich allmählich die Reste der 6. Armee in einer Stärke von zusammen vielleicht 12-15.000 Mann." (Willemer [1], S. 204) Diese Soldaten überschreiten unter der Führung der Kommandierenden Generale der jeweiligen Koprs den westlichen Arm des Pruth. "Wie eine gewaltige Woge" (Willemer) durchbrechen diese Reste der 6. Armee die Abwehrfront der Sowjets und stoßen bis in das Gelände südlich von Husi vor, wobei der Angriffsspitze auch viele Soldaten der 15.I.D. angehören. Sie wird von Hauptmann Kuhn geführt. Doch ist das ganze Gebiet zwischen dem Pruth und den Karpathen längst in der Hand des Gegners. Dieser greift nun die Reste der 6. Armee von allen Seiten an, die nun in Kampf- gruppen und kleinste Grüppchen aufgespalten werden. "[In diesem Raum fanden] die letzten Teile der 6. Armee ihr Schicksal. Nur ganz wenigen, darunter Hauptmann Kuhn, gelang es unter unbeschreiblichen Mühsalen, sich über die Karpathen bis zu den neu gebildeten deutschen Linien in Ungarn durchzuschlagen. Das war das Schicksal der 15. I.D. . Zahllos waren die Taten, von denen in den Berichten der Kampfteilnehmer einige wenige aufleuchten. Hoch war die Zahl der Gefallenen, bitter das Los der Gefangenen. " (Willemer [1], S. 205) Quelle:  [ 1 ] Ein Regimentsadjutant einer im Kessel eingeschlossenen Einheit berichtet, dass sich im Raum nördlich Leova das XXIX., das XXX. und das XL. Armeekorps versammeln sollte, um mit Hilfe der angeblich bei Husi wartenden zwei deutschen Panzerdivisionen den Pruth zu überschreiten. Doch die Soldaten bemerken die wirkliche Lage: “Wir sitzen in einem feindlichen Kessel ! Durch heftigen Beschuss aller Kaliber kämpft sich die Division unter schweren Verlusten zum Pruth durch, den wir im Morgengrauen erreichen. Im Laufe des [nächsten] Tages strömen die Reste der drei Korps in diesen Raum ein. Jenseits des Flusses (40-50 m breit) dehnt sich in einem festeren, leicht bewaldeten Streifen eine Sumpfniederung von fast 2 km Breite. Von den drüben erwarteten zwei deutschen Panzerdivisionen ist nichts zu sehen, dagegen nehmen uns vereinzelte feindliche schwere Waffen unter Feuer. Zum Übersetzen stehen nur zwei Schlauchboote für alle drei Korps zur Verfügung. Behelfsmäßig werden einige Flöße hergestellt. Teils mit diesen Übersetzmitteln, teils schwimmend gelangen die Soldaten unter immer stärker werdendem russischem Artillerie-, Granatwerfer-, Panzer- und Pakfeuer ans westliche Ufer. Von einigen in Stellung befindlichen deutschen Geschützen wird das feindliche Feuer schwach erwidert. Die nicht benötigten Kanonen, schweren Waffen (keine Munition) und Fahrzeuge aller Art werden vernichtet oder im Fluss versenkt. Ein Bild des Grauens. Das Übersetzen der drei Korps nimmt drei volle Tage in Anspruch. Verluste entsprechend. Auf dem erwähnten festen Streifen versuchen die  drei Kommandierenden Generale mit gewissen Erfolg eine Gliederung nach Kampfgruppen. [Diese] erhalten entsprechende Befehle. Dem I a des XXIX. Korps wird der Auftrag erteilt, den Weg über die einzige Brücke, die die tiefste Stelle des Sumpfes überspannt, zu erkunden und über eventuelle feindliche Besetzung aufzuklären. Bei der Führung in der Nacht verirrt sich jedoch der I a auf dem erkundeten Weg, die Brücke wird verfehlt. Die Kampfgruppen werden auf den festen Boden zurückgenommen und graben sich ein. Das Unternehmen soll in der nächsten Nacht wiederholt werden. Da sich jedoch das feindliche Feuer im Laufe des Tages derartig verstärkt, dass ein weiteres Ausharren bei der großen Masse der Menschen auf dem vorhandenen engen Raum einen Wahnsinn bedeutet, erheben sich die Reste der drei ehemaligen Korps zu einer Verzweiflungstat sondergleichen, die zu den einmaligen Geschehnissen des letzten Krieges zählen dürfte. Durch teilweise bis zum Kinn reichendes Wasser, mit ihren Waffen in den emporgereckten Händen, überrennen die Soldaten im Wirbel der krepierenden feindlichen Granaten unter lauten Hurrarufen, ohne selbst schießen zu können, die unermüdlich feuernden russischen Linien jenseits der Niederung. In den anschließenden großen Waldungen sammeln sich die Überlebenden. Der gleichfalls mit durchgebrochene General würdigt in einer kurzen Ansprache den Durchbruch als eine der glänzendsten Heldentaten des [...] Krieges. Infolge des ungeordneten Durchbruchs sind sämtliche bisher noch wirksam zusammengehaltenen Restteile der einzelnen Einheiten auseinander gerissen. Es ist nicht leicht, die heillose Verwirrung zu schildern, in der sich das damalige Geschehen vollzog. Nur sie macht es verständlich, dass so wenig über den letzten Einsatz und das Vermisstsein des einzelnen Mannes berichtet werden kann.” (DRK, S. 72-75) Quelle:  [ 55 ] Zum letzten Mal wird die 15. Infanteriedivision im Wehrmachtsbericht am 31. August 1944 erwähnt, "es war bereits ihr Nachruf" (Willemer): "Im Südabschnitt der Ostfront hat sich das XXX. Armeekoprs unter Führung des General- leutnant Postel mit der 306. Infanteriedivision, der 15. Infanteriedivision und der 13. Panzerdivision in aufopfernden Kämpfen gegen überlegene feindliche Kräfte heldenmütig geschlagen." Die Katastrophe der 6. Armee ostwärts der Karpathen steht derjenigen von Stalingrad in nichts nach. Fünf deutsche Armeekorps sind mit 18 Divisionen untergegangen. Quelle:  [ 1 ] Die Zahl der Toten ging in die Hunderttausende, viele Vermisstenschicksale sind bis heute ungeklärt. “Der Spiegel” berichtete in einem Artikel aus dem Jahre 1965 von 150.000 toten deutsche Soldaten, 106.000 in Gefangenschaft geratenen und weiteren 80.000 Verschollenen. Quelle:  [ 54 ] Der DRK-Suchdienst spricht von 100.000 bis 125.000 Toten und von 115.000 Gefangenen. Gefangenschaft im Rumänienkessel, das hieß zunächst: Teilweise wochenlange Gewaltmärsche bei übergroßer Sommerhitze in die Sammellager. Wer nicht mehr laufen konnte, wurde erschossen. “Märsche von mehreren hundert Kilometern waren keine Seltenheit, die Ausfälle entsprechend hoch. Riesige Sammellager unter freiem Himmel bei völlig unzulänglichen hygienischen Verhältnissen wurden improvisiert: ca. 30.000 Gefangene in Balti ca. 25.000 Gefangene in Focsani ca. 20.000 Gefangene in Iasi ca. 40.000 Gefangene in Tiraspol Dazu [kamen] vorübergehend viele kleinere Durchgangslager, die ihre Gefangenen schließlich an die großen Sammellager abgaben.” (DRK, S. 55 + 56) Die gefangenen Offiziere kamen vorwiegend ins Lager Craiova und vereinzelt nach Bukarest. Ein Soldat der ebenfalls eingekesselten 161. I.D., der nach dem Pruthübergang mit seinen Kameraden in Gefangenschaft geriet, berichtet: “Am 25. August kam der letzte Armeebefehl. Kleine Kampfgruppen bilden und Marschzahl 24 (in die Pruth-Sümpfe hinein). Die 13. P.D. hält den Pruth-Brückenkopf. Bei den Durchbruchs- schlachten hatten wir ca. 50 % der Mannschaften verloren, die tot oder verwundet zurückbleiben mussten. In der Schlucht am Pruth blieben allein 4000 Verwundete zurück. Der Pruthübergang war schrecklich, der Pruth sehr reißend und tief. Am 28. August waren wir glücklich über dem Strom, am 29. August kamen wir an einen Nebenarm vom Pruth, hier war die Schleuse gezogen, alles ein See; bis zur letzten Patrone verschossen, nahm uns der Russe in Empfang, und wir waren Gefangene. Wir wurden gesammelt und zu einem Zug von 92 Hundertschaften zusammengestellt, und jetzt begann der Leidensweg von Husi nach Balti, ca. 300 km. Verpflegung gab es nicht, nur das was uns die rumänischen Frauen zuwarfen. Panzer und Kraftfahrzeuge fuhren in die Kolonnen hinein. Russenweiber schossen und warfen Handgranaten. Übermüdete und Schlappe wurden erschossen. Bei der Übergabe in Balti waren es nur noch 48,5 Hundertschaften. Die Hälfte war auf dem Marsch umgekommen. Am 14. September erhielten wir das erste Essen, ganz nasses Brot, es setzte Ruhr und Typhus ein. Jeden Tag starben 800 - 1200 - 720, so dass man einen Durchschnitt von 800 Toten am Tage nicht als zuviel ansetzt. Es waren ca. 20.000 Mann im Lager. Es kamen immer mehr Transporte, aber es wurden nicht mehr [Männer]. Diese wurden als Tote wieder in der Nacht weggebracht.” (DRK, S. 71 + 72) Während der Märsche und in den Sammellagern kamen so bereits etwa 30 - 35 % der Gefangenen ums Leben, das sind zwischen 34.500 und 40.250 Soldaten, die bereits vor dem Weitertransport in die Kriegsgefangenenlager starben. Weitere 10 - 15 % starben während des Transportes (oftmals wochenlange Fahrten unter äußerst harten Bedingungen) oder unmittelbar nach Ankunft im Lager. Quelle und Zitate : [ 55 ] Im Kessel der 6. Armee - Das Ende der 15. I.D. in Rumänien (Quelle: Divisionsgeschichte Willemer [1] )