Die 15. Infanteriedivision im Zweiten Weltkrieg Rückzug und Stellungskrieg am Dnjestr 9. März 1944 - 19. August 1944 Nachdem sich das russische XXIII. Panzerkorps in Kasanka mit Treibstoff und Munition versorgt hatte, setzte es noch in der Nacht vom 8. auf den 9. März seinen Vormarsch fort. Allerdings nicht in Richtung der 15. I.D., sondern schräg vor deren Front in Richtung Novy Bug. Von dort aus stießen nun drei schnelle russische Korps nach Südwesten in allgemeiner Richtung auf Nikolajew an der Bug-Mündung vor. Somit war die gesamte deutsche Südfront und damit der größte Teil der 6. Armee vom Abschneiden bedroht. Zahlreiche rote Schützenverbände der 3. ukrainischen Front strömten in die breite Frontlücke, wodurch auch für die Nordgruppen der 6. Armee, dem LVII. und LII. Korps, eine große Gefahr für deren Südflanke entstand, denn der Feind hatte nun genügend Kräfte um auch nach Norden einzudrehen und mit den von dort entgegenkommenden russsichen Verbänden einen Kessel zu bilden. Denn die links benachbarte 8. Armee war ihrerseits von überlegenen gegnerischen Kräften nach Südwesten zurückgeworfen worden. Somit drohte der 6. Armee eine doppelseitige Umfassung. Erst jetzt gab Hitler seine Einwilligung für ein weiträumiges Absetzen, zunächst bis hinter den Bug, später bis hinter den Dnjestr. In beiden Fällen handelte es sich nicht um einen eigenen Entschluss, sondern der Rückzug wurde jedesmal vom Gegner erzwungen und das Tempo des Absetzens von ihm diktiert. Die abgedrängte Südgruppe der 6. Armee musste sich unter schweren Verlusten den Weg zurück frei kämpfen. Es gelang zunächst, am Bug wieder eine breite Abwehrfront aufzubauen. Doch wurde die Südgruppe beim Rückzug zum Dnjestr durch einen erneuten gegnerischen Durchbruch erneut abgeschnitten. Wieder gelang es ihr unter großen Schwierigkeiten, sich bis zum Dnjestr zurück zu kämpfen, hinter dem nun vom 10. bis 12. April eine durchlaufende Front entstand. Während also die 6. Armee, “in ihrer Mitte durchbrochen und in ihrer Nordflanke von Umfassung bedroht, auf der ganzen Rückzugsbewegung hart am Abgrund entlang schritt, war der Weg der 15. Division verhältnismäßig erträglich.” (Willemer [1], S. 180) Der dritte große Rückzug der 15. I.D. war zwar der längste, aber er war weniger mühevoll und verlustreich als die Rückzüge über 100 km im Januar 1942 vor Moskau und über 200 km vom Donez zum Dnjepr im Herbst 1943. Nun galt es, über 300 km zurück zu legen. Die der 15. I.D. nachfolgenden Feindverbände bestanden aus abgekämpften Schützen. Sie machten der Division relativ wenig zu schaffen. “Vielleicht sagten sich die Verfolger: “Wozu sollen wir heute unter schweren Verlusten angreifen, was wir morgen nach Abzug der 15. I.D. kampflos besetzen können ?”” (Willemer, ebd.) Der Nachschub vereinfachte sich, da die Front auf ihre Vorratslager zurückging. Der Truppe musste nicht mehr viel zugeführt werden, und sie konnte größtenteils auf Selbstabholung angewiesen werden. Bereits Ende Februar hatte die Schlammperiode begonnen. Die Division hatte sich daher ganz auf das Pferd bzw. auf das bespannte Fahrzeug umgestellt. Der “Papierkrieg” im Divisionsstab hatte aufgehört, nachdem ein Großteil der Stabsgerätschaften wie Schreibmaschinen etc. in Kasanka verloren gegangen waren. Den Papierkrieg vermisste im allgemeinen niemand. Schwierigkeiten zu bewältigen hatten indes die Nachrichtenleute. Zwar wurden die Funkstellen auf leichten Gespannfahrzeugen mitgeführt, doch waren Fernsprechkabel absolute Mangelware. Deshalb war man mit dem Korps meistens nur per Funk in Kontakt. Die Fernsprechverbindungen von der Division zu den Regimentern musste angesichts der nur wenigen Kabeltrollen optimiert werden. Dies geschah wie folgt: Der Artillerieregimentsstab lag von nun an stets im gleichen Ort wie der Gefechtsstand der          Führungsabteilung der Division und sprach über deren Leitung Am Rückzugsweg entlang wurde eine einzige Leitung gelegt. An diese Leitung schlossen sich die Infanterieregimenter und Artillerieabteilungen an. Den Regimentern wurde die Lage ihrer Gefechtsstände so vorgeschrieben, dass die          Abstände zum Rückmarschweg und somit zur Leitung gering waren. Mit 8- 10 km Kabel konnten so die wichtigsten Verbindungen hergestellt werden Die wenigen Verwundeten, die während des Rückzugs anfielen, konnten oft mittels Sankas, die die Sanitätsabteilungen erstaunlicherweise noch retten konnten, abgefahren. Unermüdlich sorgten die findigen Fahrer dafür, dass die Sankas auch im Schlamm irgendwie voran kamen. “Das Wetter war im allgemeinen leidlich, bis auf einige Schneestürme”, schrieb Willemer. Die Situation der 15.I.D. bei diesem Rückzug war auch dadurch begünstigt, dass sich die Division abseits von durchgehenden Straßen quer durch die Täler der von Nord nach Süd verlaufenden Flüsse bewegte. Dabei wurden in einem stetigen Auf und Ab u.a. die Täler der größeren Flüsse Ingul, Bug und Tiligul durchschritten. Durch den Mangel an Durchgangsstraßen verzichtete der Gegner wohl auf Großangriffe in diesem Abschnitt. "Die Kampfkraft der Division, nicht ihr innerer Wert, war stark abgesunken." (Willemer [1], S. 182) Waren in den Kämpfen um Kriwoi Rog die Verluste noch durch das Feldersatzbataillon ausgeglichen worden, so war diese Quelle nun völlig ausgeschöpft. Die Verluste nach den Kämpfen in der Ingulez- Sehnenstellung reduzierten die Gefechtsstärken erheblich. Laut Meldung vom 27.2.1944 betrug sie für die Infanterie noch 850 Mann. Am Tag vor der Schlacht um Kasanka betrug sie gemäß Kriegstagebuch der 6. Armee vom 7.8.1944 je Infanterieregiment noch 100-200 Mann. Willemer schätzte für das Füsilierbataillon 15 zu diesem Zeitpunkt noch eine Stärke von 50 Mann. Nach dem Kämpfen um Kasanka waren weitere Verluste eingetreten. Mit Mühe ließ sich durch besondere Maßnahmen (Einsammeln von Versprengten, Weiteres Ausschöpfen der Trosse und Versorgungsdienste, Einsetzen der Kraftfahrer, die ihre Fahrzeuge in Kasanka verloren hatten) die Gefechtsstärken der Infanterieregimenter auf 150 Mann bringen. Die 6. Armee trug den Verlusten Rechnung, indem die 15. I.D. nunmehr als eine "Divisionsgruppe" (Bezeichnung für eine schwache Division) bezeichnet wurde und einen schmaleren Bewegungs- und Kampfstreifen erhielt. Dieser war nun 3 - 12 km breit. Die Munitionsversorgung aller Kaliber war zu dieser Zeit mangelhaft. Am 11. März musste der Division MG-Munition aus der Luft abgeworfen werden. Doch waren diese kritischen Momente die Ausnahme, da die 15. I.D. während ihres Rückzuges nur wenig Munition verschoss. Die Frage nach der Betriebsstoffversorgung war von untergeordneter Bedeutung, da die fechtenen Teile der Division ihre Kraftfahrzeuge verloren hatten. Die Verpflegung von Mann und Pferd ließ sich leicht realisieren. In den Kämpfen im Jahr 1941 war die Süd-Front so schnell nach Osten gewandert, dass den Russen keine Zeit blieb, um ihre "Verbrannte-Erde"-Taktik (so wie im Mittel- und Nordabschnitt) anzuwenden. So fand die 15.I.D. bei ihrem Rückzug ein weitgehend intaktes Land mit fruchtbaren Feldern voll von Vieh, Geflügel, Weizen und Mais vor.  "Die Truppe konnte somit aus dem Lande leben und sie lebte nicht schlecht." (Willemer [1], S. 182) Quelle:  [ 1 ] So wie die Sowjets die Taktik der "Verbrannten Erde" bei ihren Rückzügen angewandt hatte, war sie jetzt auch das Mittel der Wehrmacht, um dem Gegner die Versorgung und das Nachrücken so weit wie möglich zu erschweren. Seit dem Rückzug vom Donez wurde von den deutschen Truppen systematisch Getreidefelder, Häuser, Industrieanlagen, Staudämme, Kraftwerke und Verkehrswege niedergebrannt, gesprengt oder andersartig unbrauchbar gemacht. Da die Sowjets aus den wiedereroberten Gebieten rücksichtslos jeden halbwegs wehrtauglichen Zivilisten sofort in ihre Truppe einreihte, wurde die Zivilbevölkerung nach dem Westen evakuiert. Quellen:  [ 10, 19 ] Das allgemeine Rückzugsverfahren der 15. I.D. sah so aus, dass nach Beginn der Dunkelheit zu einem bestimmten, vom Korps befohlenen Zeitpunkt mit dem Absetzen begonnen wurde. Die nächste Widerstandslinie wurde noch vor Beginn des nächsten Tages erreicht, besetzt und tagsüber gehalten. Die Abstände zwischen zwei Widerstandslinien betrug zwischen 15 und 25 km. Trotz der zahlenmäßigen Schwäche der Division wurde eine Regimentsgruppe samt Artillerieabt. aus der Front gezogen und bereits tagsüber in Marsch gesetzt. Dadurch konnten diese Soldaten ohne Feindberührung, in Dörfern untergebracht, wenigstens eine Nacht durchschlafen, was der Kampfkraft förderlich war. Die Regimentsgruppen wurden durchgewechselt, so dass jedes Regiment alle drei Nächte durchschlafen konnte. Ein weiterer Vorteil dieses Verfahrens lag darin, dass ständig ein Regiment gegen eine mögliche Bedrohung des Rückzugsweges eingesetzt werden konnte.  Für den Ausbau der Widerstandslinien wurde das Feldersatzbataillon unter der “umsichtigen Führung” (Willemer) des Bataillonskommandeurs Nomanni herangezogen. Das Bataillon bestand seit der Schlacht um Kriwoj Rog nur noch aus dem Ausbildungs- und Verwaltungspersonal. Durch Hilfkräfte wurde es ergänzt, so dass etwa 1000 Mann für den Ausbau der Widerstandslinie verfügbar waren. Das Bataillon erkundete jeweils die neue Stellung und legte dann alle 200 - 300 Meter eine Kampfanlage an. Diese bestand aus einem kurzen Grabenstück, dessen Ende nach oben mit Stangen, Scheunentoren usw. abgedeckt wurde. Dann wurde Heu oder Stroh in diesen Unterschlupf geschafft, so dass die Truppe am Morgen eine Stellung vorfand, die Deckung bot, aber auch vor dem Wetter schützte. Ferner kümmerte sich das Feldersatzbataillon auch um die Absprachen über die Anschlussstellen mit den Nachbarn und um die Einweisung der Truppe in die Stellung. Hierzu bildete sich bald ein sich schnell einspielender Apparat von Verbindungsoffizieren und Einweisern.   Unter diesen Bedingungen überstand die Division den Rückzug - abgesehen von den schweren Kämpfen am Bug- einigermaßen unbeschadet. Die Kräfte nahmen eher zu als ab. “Für die Stimmung charakteristisch war vielleicht die Antwort, die ein junger Grenadier auf die Frage gab, wie ihm denn zumute sei: “Ach, Herr Oberstleutnant, jetzt sind wir doch schon wieder 40 km näher an Deutschland.”” (Willemer [1], S. 184) Natürlich drückte besonders bei den Führern der Ernst der Gesamtlage auf’s Gemüt. Und jeder dachte voller Sorge an die Heimat. Zu dieser Zeit wurde die deutsche Zivilbevölkerung in den Städten im Rhein-Main-Gebiet - und somit auch die Angehörigen der Soldaten der 15. I.D.- von englischen und amerikanischen Flugzeugen bombardiert. Am 10. März 1944 begann der Rückzug. Schwächere Angriffe der Russen wurden abgewehrt. Die 15. I.D. war rechts an die 24. und links an die 23. Panzerdivision angelehnt. Nach dem 11. März 1944 griffen die russischen Schlachtflugzeuge nur noch selten in die Kämpfe am Boden mit ein, was wohl daran gelegen hat, dass die Feldflugplätze inzwischen weit zurück lagen und die russischen Schlachtflieger und Jäger wegen ihrer relativ geringen Eindringtiefe somit entsprechend schwieriger eindringen konnten. Am 12. März 1944 lag der Divisionsgefechtsstand in Annowka. In den nächsten zwei Tagen wurde der Rückmarsch unterbrochen, eher es in der Nacht vom 14. auf den 15. weiter ging. Die 15. I.D. erreichte den Fluss Ingul, der Divisionsgefechtsstand lag am 15.3. in Stepanowka. In der nächsten Nacht (auf den 16.) war der Rückzug von Regen und schlechten Wegeverhältnissen geprägt. In der darauffolgenden Nacht musste aufgrund der Bedrohung der Nordgruppe der 6. Armee der Rückmarsch erweitert werden, deshalb wurde eine Sicherungslinie übergangen, wodurch sich der Marschweg auf rund 40 km in dieser Nacht vergrößerte. Am 17. März 1944 befand sich der Divisionsgefechtsstand im Ort Nikolajew (nicht zu verwechseln mit der gleichnamigen großen Hafenstadt an der Bugmündung). Am 18. März 1944 greift der Gegner beim G.R. 106 an. Ursprünglich als "starker Angriff" gemeldet, stellt er sich aber als erheblich kleiner heraus. In der Nacht wird der Rückzug fortgesetzt. Das Divisionshauptquartier befindet sich in Petropawlowka. Am 19. März wird das Generalkommando des LVII. Panzerkorps (General Kirchner) zu anderer Verwendung aus der Front gezogen. Die Führung der 15. I.D. bedauerte dies, denn in dem langen Unterstellungsverhältnis seit März 1943 hatte sich ein enges Vertrauensverhältnis zu General Kirchner und dessen Chef des Stabes, Oberst i.G. Laegeler entwickelt. Die 15. I.D. und die anderen Einheiten, die zuvor dem LVII.Panzerkorps unterstanden, kamen nun unter den Befehl des Generalkommandos des XXX. Armeekorps. Kommandierender General dieses Korps war General Fretter-Pico, Chef des Generalstabes der Oberst i.G. Klaus. In der Nacht vom 19. auf den 20. März 1944 zieht sich die 15. I.D. bis auf den weiten Brückenkopf Wosnessensk am Ostufer des Bug. Diese Stadt war von der obersten Führung als "fester Platz" definiert worden. Quelle:  [ 1 ] Das bedeutete folgendes: „Die „festen Plätze“ sollen die gleichen Aufgaben wie die früheren Festungen erfüllen. Sie haben zu verhindern, daß der Feind diese operativ entscheidenden Plätze in Besitz nimmt. Sie [die Verteidiger, d. Verf.] haben sich einschließen zu lassen und dadurch möglichst starke Feindkräfte zu binden. Sie haben dadurch mit die Voraussetzung für erfolgreiche Gegenoperationen zu schaffen.“ (Adolf Hitler, 8. März 1944, Auszug aus dem Führerbefehl Nr. 11) Quelle:  [ 52 ] Die engere Brückenkopfstellung wird erkundet; dabei bietet sich den abgerissenen, abgekämpften Soldaten der 15. I.D. ein ungewöhnliches Bild. Junge, wohlgenährte, gut uniformierte und ausgeruhte Soldaten eines Panzerregiments, die dort seit mehreren Wochen auf Panzer warten, schanzen und bauen die Stellungen aus. Der optische Gegensatz dieser Truppe zu den Männern der 15. I.D. ist groß. Vom 20. bis zum 23. März 1944 verteidigt die 15. Infanteriedivision zunächst den weiten und anschließend den engen Brückenkopf Wosnessensk. Am 21. werden mehrere Feindangriffe abgewiesen. Tags darauf herrscht große Unruhe beim XXX. Armeekorps. Angeblich sei bei der 15. I.D. ein Durchbruch erfolgt. Doch erweist sich der “Durchbruch” nur als geringfügiger örtlicher Einbruch. In der Nacht vom 22. auf den 23. März wechselt die Division das Bugufer, denn “zur nicht geringen Freude aller Beteiligten” (Willemer [1], S. 185) wurde Wosnessensk als “Fester Platz” aufgegeben. Zwar ist der Bug ein bedeutendes Wasserhindernis, doch hat die 15. I.D. dennoch eine ungünstige Stellung auf dem Westufer zu verteidigen, da der Fluss an dieser Stelle (gegenüber Alexandrowka) eine Schleife bildet, die feindwärts vorgebogen ist. Bereits am ersten Tag in der neuen Stellung kann die Division zunächst nicht verhindern, dass die Sowjets am 23. März über den Bug setzen. Doch kann das G.R. 88 im Gegenstoß den Gegner am Abend wieder über den Fluss zurück werfen. Zwei Tage später gelingt es den Russen jedoch, endgültig in der Fluss-Schleife Fuß zu fassen. Die 15. I.D. zieht sich auf eine kürzere Sehnenstellung zurück und hält diese bis zum 27. März. Die 76. Infanteriedivision war der linke Nachbar. Inzwischen hatten die Sowjets die linke Nachbararmee (8.) zurückgeworfen und gingen zwischen Bug und Dnjestr in südwestlicher Richtung vor. Dadurch war die 6. Armee gezwungen, sich weiter zurück zu ziehen, da der Gegner nun die linke Flanke und den Rücken der Armee von Norden her bedrohte. Somit zog auch die 15. I.D. am Abend des 27. März 1944 weiter nach Westen: In dieser Nacht auf die "A-Linie", und in den beiden folgenden Nächten auf die "B"- (28./29.3.) und "C-Linie" (29./.30.3.). Am 30. März konnten die Soldaten der 15. I.D. von einigen Stellungen aus einen Abwehrerfolg der südlich stehenden 384. Infanteriedivision beobachten. Diese Division war bei Nowo-Troizkoje von starken Panzerkräften angegriffen worden. Der Division gelang es, von 55 angreifenden Panzern 35 kampfunfähig zu machen. In der Nacht vom 30. auf den 31. März ging der Rückzug der 15. I.D. auf die "D-Linie" weiter. Hier lag die Division hinter dem starken Abschnitt des Flusses Tiligul. In den nächsten beiden Nächten wurde die "E- (31.3./1.4.) bzw. F-Linie"(1.4./2.4.) erreicht. Der 2. April war in mehrfacher Hinsicht ein unerfreulicher Tag für die 15. Division. An diesem Tag durchbrach der Gegner mit großer Überzahl die Front des XXX. Armeekorps und stieß nach Südwesten vor. Damit schnitt er erneut der Südgruppe der 6. Armee von ihren rückwärtigen Verbindungen ab. Zu allem Überfluss traten außerdem an diesem und am nächsten Tag schwere Schneestürme auf, die den Marschkolonnen die sich in westliche Richtung bewegten, entgegenbrausten. Auch diesmal waren wieder "übermenschliche Anstrengungen" (Willemer [1], S. 186) nötig, um den Marsch zu überstehen. Die "G-Linie" wurde in der Nacht vom 2. auf den 3. April erreicht. Dabei wurde die Bahnlinie Smerinka- Odessa überschritten, auf dessen Bahnkörper noch Waggons standen, die aufgrund der Lage weder nach Norden noch nach Süden abgefahren werden konnten. Sie wurden deshalb von der Truppe sozusagen "organisiert geplündert" (vergl. Willemer, ebd.). Neben 11 fabrikneuen 7,5 cm Pak, die auf freier Strecke mühsam abgeladen und im Pendelverkehr vom Artillerieregiment mit Gespannen hinter die nächste Widerstandslinie gebracht werden, finden sich in den Wagen noch größere Mengen Feldpostpakete, Schokolade, Rauchwaren, Verpflegung, eine Kiste mit Armbanduhren und weiteres mehr. Am 3. April tobt immer noch der Wintersturm. Die 15. I.D. wird aus ihrem Abschnitt herausgezogen und nach Süden auf Straßburg in Marsch gesetzt, um der schwer ringenden, eingeschlossenen Südgruppe der 6. Armee zu helfen. Doch schon einen Tag später ist diese Absicht hinfällig, da die Sowjets am rechten Flügel des XXX. Korps mit Panzern durchgebrochen sind. Die Grenadierregimenter 81 und 106 beziehen Stellung gen Osten und wehren alle weiteren Feindangriffe ab. Das Kriegstagebuch der 6. Armee bemerkt hierzu (wiedergegeben in [1], S. 187):  “Weit überlegene, von Panzern des sowjet. XXIII. Pz.Korps unterstützte Feindangriffe drangen noch in der Dunkelheit aus Zebrikowo entlang der Straße in Wessely-Kut ein. Die 15. I.D. riss aber das Steuer wieder herum. Im Gegenangriff gelang es nach wechselvollen Kämpfen, Schließung der entstandenen Lücke und Abschuss von 9 Panzern, den Durchbruch zu verhindern." In Bataillonsstärke greift der Gegner am nächsten Tag (5.4.) erneut bei Wessely-Kut mehrfach mit Panzerunterstützung an. Auch diese Angriffe werden alle abgeschlagen, drei Panzer abgeschossen. In der Nacht vom 5. auf den 6. April 1944 setzt sich die 15. I.D. weiter nach Westen ab. Der Kutschurgan-Abschnitt wird erreicht. Hier werden mehrere gegnerische Aufklärungsvorstöße abgewehrt. Am 6. April befand sich der Divisionsgefechtsstand in Jemischkin Chutor. An diesem Tag verließ der I a der 15. Infanteriedivision, der Oberstleutnant im Generalstab und spätere Autor der Divisionsgeschichte "Die 15. Infanteriedivision im Zweiten Weltkrieg", Wilhelm Willemer, die Division. Zwei Jahre und 4 Monate war er maßgeblich an der Führung der 15. I.D. beteiligt gewesen und wechselte nun als I a zur Heeresgruppe Nordukraine, die seit dem 30. März 1944 von Generalfeldmarschall Walter Model geführt wurde. Nachfolger Willemers als I a der 15. I.D. wurde der Major i.G. Harald Helms. Der eingeschlossenen Südgruppe der 6. Armee war es in diesen Tagen gelungen, wieder Anschluss an die übrige Armeefront zu finden. Es war somit gelungen, ostwärts des Dnjepr wieder eine halbwegs zusammenhängende Front aufzubauen. "Die mehrfachen russischen Durchbrüche im weiten Raum zwischen Dnjepr und Dnjestr hatten zwar schwere personelle und materielle Verluste verursacht und zur wiederholten Einschließung der Südgruppe der Armee geführt. Aber dank der sicheren Führung des AOK [Armeeoberkommandos] und der Hingabe der Truppe war kein einziger Großverband verloren gegangen. Noch aber stand der schwierige Übergang über den Dnjestr bevor. Und schon war der Feind im Bereich der benachbarten 8. Armee über diesen Fluss und den Prut hinweg nach Westen vorgestoßen. Die Lage der Heeresgruppe war also alles andere als gefestigt." (Willemer [1], S. 187) Das XXX. Armeekorps wurde in den nächsten Tagen in mehreren Etappen auf und hinter den Dnjestr zurückgenommen. Die 15. Infanterie-Division hatte am 8. April 1944 am Kutschurgan sowjetische Angriffe abgewehrt und setzte sich nachts vom 10. auf den 11. April auf Tiraspol-Blishniy Chutor ab. Doch der Gegner drängte scharf nach und griff am 11. April, allerdings vergeblich, an. Mit schwachen Kräften war ihm am selben Tag gelungen, über den Strom im Bereich der sog. "Landbrücke" bei Karagasch zu setzen. Dieser Abschnitt gehörte später wieder zum Verteidigungsabschnitt der 15. I.D.. Wieder hatten die Sowjets ihre am Dnjepr schon bewährte Taktik angewandt, die Bündelung der deutschen Kräfte an den wenigen Übergangsstellen und Brückenköpfen auszunutzen und in den entstandenen unverteidigten Zwischenräumen überzusetzen. Der neue Oberbefehlshaber der Heeresgruppe Südukraine, Generaloberst Ferdinand Schörner, hatte angesichts der chaotischen Zustände in Tiraspol und an der Dnjeprbrücke festgestellt: "Ernsteste Eindrücke auf der Flucht nach Hause" (Kriegstagebuch der 6. Armee). Auch die Soldaten der 15. I.D. teilten diesen Eindruck. In Tiraspol war Panikstimmung ausgebrochen. "Soldaten aller Wehrmachtsteile, Eisenbahner, OT-Einheiten [Organisation Todt], Angehörige von Parteiorganisationen in brauner Uniform, weibliches Wehrmachtsgefolge, sämtlich aus dem Raum Odessa stammend, strebten mit Kraftfahrzeugen, mit Gespannen und zu Fuß auf die einzige Dnjestr-Brücke in diesem Bereich bei Thigina (Bendery) zu, um das rettende Westufer zu gewinnen. Der Anblick dieser fluchtartigen und ungeordneten Bewegung wirkte stark deprimierend." (Willemer [1], S. 188) In der Nacht vom 12. auf den 13. April überschritt auch die 15. I.D. den Fluss. Teile benutzten die besagte Brücke, andere überquerten den Dnjestr auf einbem Steg, der vom Pionierbataillon 15 mit Hilfe von leeren Benzinkanistern gebaut worden war. Manche Soldaten benutzten auch Schlauchboote und weitere Behelfs-Übersetzmittel, die von findigen Landsern organisiert worden waren. "Jeden Soldaten beherrschte der Gedanke: In breiter Front über den Strom, um jenseits wieder Front zu machen. - - - Der Rückzug war beendet." (Willemer [1], S. 188) Im neuen Divisionsabschnitt floss der Dnjestr "westlich und südlich von Tiraspol in einer sumpfigen Niederung, die von toten Armen und Altwässern durchzogen [wurde] und in die der Botna-Bach mit dem Botnasee [einmündete]."(Willemer [1], S. 189) Im rechten Teil des Abschnitts floss der Dnjepr in einem weiten Bogen um einen bewaldeten, teils kahlen Höhenrücken herum nach Norden. Der Höhenrücken bildete die sogenannte Landenge, die später noch für das Beziehen der Stellung und für die Kämpfe im August sehr bedeutungsvoll werden sollte. Auf dem diesseitigen Flussufer befanden sich zwar noch Bunker und Kampfstände, die früher Teil der rumänisch-russischen Grenzbefestigung waren und sich auch für die 15. I.D. nützlich erweisen konnten, doch sah die Divisionsführung von einer HKL auf dem Uferdamm des Hauptarmes des Dnjeprs ab. Die Bunker waren aufgrund des Frühjahrshochwassers umspült und nur schwer erreichbar; zudem wäre eine dem Fluss folgende HKL für die vorhandenen Kräfte zu lang geworden. Stattdessen sollte eine Stellung entlang der Sehne der Landenge und des Bahndammes geführt werden. Am 1. Mai 1944 wird die 15. I.D. bei der 6. Armee wie folgt bewertet (Quelle: Akten der 6. Armee, wiedergegeben in [1], S. 189): "Die 15. I.D. ist nach Überschreiten des Dnjestr in einem Schwerpunktabschnitt eingesetzt. Somit befindet sich die Division seit Januar im ununterbrochenen Einsatz, ohne die Möglichkeit gehabt zu haben, Teile der Infanterie zu vorübergehender kurzer Auffrischung aus der Kampffront zu herauszuziehen. Mehrtägige schwere und verlustreiche Kämpfe und die anhaltende schlechte Witterung des Monats April haben die körperliche und seelische Leistungsfähigkeit der Truppe, vor allem der Infanterie weiter stark beeinträchtigt. Ihre Haltung ist unverändert hervorragend." In der nun erreichten Stellung trat nun endlich für die Division etwas mehr Ruhe ein. Es sollte sich später am 20. August 1944 herausstellen, dass es sich um die “Ruhe vor dem Sturm” handelte. Doch zunächst konnte die in den Frühjahrskämpfen gesunkene Kampfkraft nach und nach wieder angehoben werden. Ersatz traf ein, Genesende kamen wieder zurück, und neue Waffen wurden zugeführt. Gemäß der Ausrüstungs- und Stärkenachweisung für Infanterie- Divisionen von 1944 (gegenüber der früheren Ausweisung verkürzt) gelang es sogar, die Division nach langer Zeit wieder auf volle zahlenmäßige Stärke zu bringen; die Personalsituation überstieg sogar geringfügig das “Soll”. Ab Mitte Juni 1944 tauschte die Division “die Besatzung des schwierigen rechten mit der des günstigeren linken Abschnitts turnusmäßig [aus] “ (Willemer [1], S. 191), wobei in der Zwischenzeit für die Truppe eine Woche Ruhezeit heraussprang. Vorne waren stets zwei Regimenter eingesetzt; das dritte befand sich hinter dem Abschnitt (je ein Bataillon davon in Divisions- und Korpsreserve). Die Munitionslage hatte sich deutlich entspannt. Noch im April hatte großer Munitionsmangel geherrscht, da die rumänischen Bahnen mit der gleichzeitigen Bewältigung von Räumungs- und Versorgungstransporten lt. Willemer überfordert waren, wodurch es zu langen Zugstauungen gekommen war. Es musste sogar Artilleriemunition auf dem Luftweg durch die fliegenden “Giganten” (Messerschmidt 323, das größte Transportflugzeug des 2. Weltkrieges) herangeschafft werden. Bis zum Beginn der Invasion wurde Heimaturlaub erteilt. Auch das regelmäßige Eintreffen der Feldpost hob die Stimmung unter den Soldaten, obgleich die Nachrichten aus der Heimt nicht immer positiv waren, wenn z. B. von den Bombenangriffen auf die deutschen Städte berichtet wurde. Die Verpflegungslage war -im 5. Kriegsjahr- als “gut” zu bezeichnen. “Das fruchtbare Land lieferte Milch und Früchte” (Willemer [1], . S. 191)   Bessarabien, zwischen den Flüssen Dnjestr und Prut gelegen, gehörte vor dem Frühjahr 1940 zu Rumänien und wurde danach von der Sowjetunion besetzt, was damals die diplomatischen Beziehungen zwischen den noch nicht im Kriegszustand befindlichen Staaten Deutschland und Sowjetunion erheblich belasten sollte. Die Bevölkerung Bessarabiens war somit überwiegend rumänisch und den Deutschen gegenüber wohlgesonnen. Doch war die Sorge groß, dass die Sowjets nun erneut das Land besetzen würden. Der Spätwinter wurde fast ohne Übergang von einem heißen Sommerwetter abgelöst, unterbrochen von heftigen Gewittern. In der Dnjestr-Niederung herrschte eine wahre Mückenplage, unter der die Soldaten der 15. I.D. ebenso wie mit ihrer Folge -Malaria- zu leiden hatten. Doch davon unbeeindruckt empfand der Soldat die ruhigen Monate als verdienten Lohn für die entbehrungsreichen, anstrengenden und gefahrvollen Monate zuvor. Wenn es die Lage erlaubte, genoss er die Erholung und “erging sich in den ruhigen Teilen der Stellung und im Hinterland in Tropenkleidung (kurze Hose) unter der Sonne Rumäniens fast wie in der Sommerfrische.” (Willemer [1], S. 191) Die Truppenbetreuung war generell gut. In Znaim richtete die Division ein Erholungsheim ein, ebenso wie das Korps ein Offizierserholungsheim im Hinterland. General Sperl zog am 18. Juli außerdem noch 150 Soldaten, die mindestens mit dem EK 1 ausgezeichnet waren, für zwei Tage aus der Stellung und ließ sie in Kausani beim Divisionsstab “mit reichlicher geistiger und materieller Kost” (ebd.) frohe Tage verbringen. All diese positiven Dinge konnten jedoch nicht die ernste Gesamtlage überdecken: Die alliierte Invasion an Frankreichs Normandieküste war gelungen. Bomberverbände verwüsteten die Heimat. Am 22. Juni hatten die Sowjets -am 3. Jahrestag des deutschen Angriffs- die deutsche Heeresgruppe Mitte mit einer Großoffensive überrascht und in den folgenden Tagen praktisch zerschlagen. Die restlichen 15 von ursprünglich 40 Divisionen waren bis zur polnischen Grenze zurückgeworfen worden. Damit war auch die noch tiefer im Osten stehende Heeresgruppe Nord vom Abschneiden bedroht. Die Heeresgruppe Nordukraine war im Juli ebenfalls hart angeschlagen und weit zurückgedrängt worden. Auch mit einem Großangriff bei der Heeresgruppe Südukraine musste ständig gerechnet werden. Am 20. Juli 1944 explodierte im Füherhauptquartier in Rastenburg Stauffenbergs Bombe. “[Diese Nachricht] wirkte auf die Division - wie wohl durchweg an der Front im Osten - wie ein Schock. Es fehlte dem im schweren Kampf gebundenen Soldaten die Möglichkeit, die Zusammenhänge zu übersehen. Vom Gefechtsfeld aus gesehen erschien der Versuch einer Empörung mitten im Kriege als Schwächung des kämpfenden Heeres. So konnte man in der Division in tragischer Verkennung der Lage die Ansicht hören, dass bei Gelingen des Umsturzes niemand bis in die Karpathen zurück kommen würde. Heute wissen wir, dass es umgekehrt war. Der Umsturz misslang und die Division wurde so [vor] den Karpathen vernichtet. Hätte der Umsturz Erfolg gehabt, wäre - vielleicht - eine rechtzeitige Zurücknahme des exponierten Frontbogens am Dnjestr befohlen worden.” Quelle:  [ 1 ] Nach Joachim Fest (TV-Dokumentation “Operation Walküre”) sind in den 9 Monaten nach dem 20. Juli 1944 bis zum Kriegsende am 8.5. 1945 mehr Menschen ums Leben gekommen als in den 59 Monaten vom 1.9. 1939 bis zum 20. Juli 1944.   Die Rückzugsbewegungen der 15. I.D. auf den Dnjestr im März und April 1944 (Quelle: Divisiosngeschichte Willemer [1]) Messerschmidt 323 "Gigant" in einer Aufnahme von 1941 (Quelle: Bundesarchiv) Der Frontabschnitt der Heeresgruppe Südukraine im Frühsommer 1944 (Quelle: Divisionsgeschichte Willemer [1]) Harald Helms, I a der 15. Infanteriedivision, vermisst seit August 1944 (Bildquelle: Vermisstenbildliste des DRK)