Die 15. Infanteriedivision im Zweiten Weltkrieg Rückzug zum Dnjepr (1. - 27. September 1943) Die Wucht der sowjetischen Angriffe hatte an der Isjumfront nur vorübergehend nachgelassen. Die Truppen der 1. deutschen Panzerarmee hatten mit letzter Kraft dem Ansturm Stand gehalten. Doch kamen nun auch die Abschnitte der Nachbararmeen ins Wanken. So war am 23. August 1943 im Bereich der 4. Panzerarmee Charkow verloren gegangen. Anfang September durchbrachen zwei sowjetische Panzerkorps die Front am Mius und stießen in den Rücken der 1. Panzerarmee. Durch diese bedrohliche Lage musste eine schwerwiegende Entscheidung getroffen werden: Die Mius-Donez-Front war nicht länger zu halten. Die deutsche Führung konnte nur zwischen Rückzug oder Einkesselung und Verlust der Armeen der Heeresgruppe Süd wählen. Für den Rückzug waren allerdings keinerlei Vorbereitungen getroffen worden. Die Anträge der Heeresgruppe Süd (von Manstein) und des Chefs des Generalstabs des Heeres (Zeitzler), die rückwärtige Dnjepr-Düna-Linie zu einem "Ostwall" auszubauen, war von Hitler abgelehnt worden. Er begründete dies damit, dass das Wissen um einen solchen Schutzwall die Kampfmoral der Soldaten verringern würde. Stattdessen sollten sie -berühmt-berüchtigt- "um jeden Fußbreit Boden" kämpfen. Auch die rechtzeitige Verlagerung von Wirtschaftsgütern und Produkten aus der Landwirtschaft nach Westen war nicht eingeleitet worden. Zuständig wäre hierfür der Reichskommissar der Ukraine gewesen; nur im Kampfgebiet waren militärische Instanzen zuständig und hatten nur dort freie Hand. So traf auf Anweisung des LVII. Panzerkorps der Quartiermeister der 15. Division (Dr. Gerloff) bereits seit Mitte August kalendermäßige Vorbereitungen für eine Räumung des Gebietes ostwärts der Berekastellung. Nichtbenötigte Versorgungseinheiten und Trosse wurden weit nach Westen verlegt. Auch die Führungsabteilung der 15. I.D. traf Vorbereitungen für einen Rückzug: Planspielartig wurde das Absetzen und entsprechende Befehle vorbereitet. Am 7. September 1943 griffen zwei Schützenregimenter der sowjetischen 195. Schützendivision auf dem rechten Abschnitt des G.R. 88 bei Tschepel an und bedrängten die Stützpunkte in der Donezniederung. Örtliche Reserven konnten den Gegner über den Fluss zurückwerfen. Östlich Wetrowka vereitelte gezieltes Artilleriefeuer einen weiteren sowjetischen Angriffsversuch. Insgesamt hatte das feindliche Feuer auf den Abschnitt des G.R. 88 stark zugenommen. Auch wenn die Angriffe an diesem Tage noch abgewehrt werden konnten, so war abzusehen, dass die Stützpunkte in der Donezniederung südöstlich Tschepel nicht gehalten werden konnten. Zur Vermeidung unnötiger Verluste befahl die Divisionsführung daher, die Stützpunkte aufzugeben und in der Nacht vom 7. auf den 8. September eine vorbereitete Stellung auf einem Höhenrand südlich von Tschepel zu beziehen. Der Gegner stieß am 8. September in diesem Abschnitt mit verstärkten Kräften nach; es gelang ihm ein Einbruch in die HKL, dann wurde er aber von Teilen der Radfahrabteilung 15 und von Reserven des G.R. 88 aufgehalten. Örtliche Einbruchstellen wurden abgeriegelt. Da mittlerweile ein höherer Befehl eingegangen war, wurde auf einen Gegenangriff verzichtet. Dieser Befehl sah die Rückverlegung der ganzen Division auf den Dnjepr vor. "Die große Lösung war gefunden worden. Am Abend des 9. September 1943 verließ die Division ihre "Festung am Donez", die sie bis zum letzten Augenblick in der Hand behalten hatte." (Willemer [1], S. 146) Die psychische Belastung der Truppe und der Führung nach Bekanntwerden des Rückzugsbefehls war hoch: "Sollten alle Opfer und alle Tapferkeit umsonst gewesen sein?" (Willemer, ebd.). Die vielen Strapazen und Entbehrungen der letzten Wochen und Monate, die Kenntnis des russischen Panzerdurchbruchs am Mius, die schwere Lage der deutschen Südfront, die gerade eintreffende Nachricht vom Abfall des Bündnispartners Italien, die zunehmenden Nachrichten von den alliierten Luftangriffen auf deutsche Städte- all das bedrückte die Soldaten sehr. Der große Rückzug vom Donez war das für jeden spürbare Zeichen, dass sich das Blatt wendete. Der sog. Heldenfriedhof Wessely wurde eingeebnet, um dem Gegner keine Aufschlüsse über Gefallenenzahlen zu geben. Der Rückzug zum Dnjepr vollzog sich etappenweise. Das erste Absetzen wurde von Nachtruppen verschleiert, und fast unbemerkt gingen die Truppen der 15. I.D. am 9. September 1943 bis zur Zwischenstellung Wolwenkowo- Wessely zurück. Am nächsten Tag folgten die Russen nur zögernd. "Die weit rückwärts befindliche Veterinärkompanie meldete Feindberührung mit russischen Panzern. Sofort wurde von der Division eine Kampfgruppe, bestehend aus Teilen der Pz.Jg.Abt. 15 und infanteristischen Kräften, dorthin in Marsch gesetzt. Doch wurde die Gefahr im Rücken durch den Gegenangriff schneller Divisionen der 1.Panzerarmee gebannt. Hart angeschlagen verzogen sich die die beiden Roten Panzerkorps nach Osten." (Willemer [1], S. 146) In der Nacht vom 10. auf den 11. September 1943 erreichte die 15. I.D. bei ihrem Rückzug die gut ausgebaute Berekastellung, vor der der Feind am 11. 9. aufschloss. Einen Tag später verschlechterte sich das Wetter erheblich. Mehrere Angriffe in Bataillonsstärke wurden abgeschlagen. Das G.R. 106 musste später noch einen Nachtangriff abwehren. Am 13. September wurde der Rückzug nach Westen am Abend fortgesetzt. Von nun an folgte der Gegner den eigenen Bewegungen sehr schnell, deshalb hatten die Nachtruppen einen schweren Stand. An der Bereka war ein längerer Aufenthalt befohlen, was sich für den weiteren Rückzug als nachteilig erweisen sollte. "Es kommt bei einem Rückzug darauf an, vom Feind rasch Abstand zu gewinnen und ihm nur so lange Widerstand zu leisten, wie er zum Aufschließen und Bereitstellen benötigt. Da aber von höchster Stelle ein möglichst langes Halten befohlen war, was mangels frühzeitiger Räumung nun auch notwendig wurde, folgte der Gegner im weiteren Verlauf des Absetzens der eigenen Truppe stets hart auf den Fersen und kam gleichzeitig mit ihr am Dnjepr an." (Willemer [1], S. 147 /148) So verteidigte sich die 15. Infanteriedivision am 13., 15. und 16. September 1943 tagsüber kämpfend, während sie in den jeweiligen Nächten abschnittsweise weiter zurück ging. Erschwerend kamen die anhaltenden Regenfälle hinzu, die dazu führten, dass die Wege bald verschlammten und Fahrzeuge stecken blieben. Diese mussten dann gesprengt werden. Am 16. September konnte die Truppe aufgrund der Wegeverhältnisse ihre Tagesziele nicht erreichen. Der I b musste die Vernichtung der Verpflegungs- und Munitionsbestände befehlen, die nicht fortgeschafft werden konnten. Der Rückzugsweg glich im Groben dem Vormarschweg des vergangenen Frühjahrs. Der Bewegungsstreifen der 15.I.D. wurde bei Erreichen von Orelka so gelegt, dass der Orelkafluss mitten durch den Abschnitt floss. Am 17. September wurde der Rückmarsch für 24 Stunden unterbrochen, da der Betriebsstoff knapp wurde und die Wegeverhältnisse weiterhin sehr schlecht waren.     Damit war dem Gegner jedoch die Möglichkeit gegeben, sich für einen größeren Angriff zu formieren, und so kam es am 18. September im gesamten Divisionsabschnitt zu schweren Kämpfen. Das Grenadierregiment 106 wurde nördlich des Orelkaflusses von nicht weniger als drei feindlichen Divisionen angegriffen und in eine kritische Lage gebracht. Die Verbindung des Regimentsstabes zu den Bataillonen riss ab. Südlich des Flusses wurde das G.R. 88 angegriffen. Im Laufe des Nachmittags konnten jedoch alle örtlichen Krisen wieder bereinigt werden. Am 19. September wechselte endlich das Wetter. Die Sonne schien und trocknete in Gemeinschaft mit starkem Wind die Wege rasch ab. So konnte wieder Benzin herangeschafft und die dicht hinter der HKL stehenden Fahrzeuge aufgetankt werden. An diesem Tag warf das G.R. 81 eingebrochene Russen im Gegenangriff zurück; das G.R. 88 wehrte sich hartnäckig und verteidigte in schweren Kämpfen erfolgreich Michailowka. Die Division zog sich weiter zurück, befand sich nun komplett südlich des Orelkaflusses und schlug nun die Richtung Dnjepropetrowsk ein. Hier sollte die Division über den Dnjepr gehen. Der Feinddruck ließ nun erstmals seit Tagen etwas nach, was auf die erlittenen Verluste des Gegners aufgrund der harten Widerstandes zurückzuführen war. Am 25. September 1943 erreichte die 15. I.D. den äußeren Ring der Brückenkopfstellung Dnjeprpetrowsk. Am gleichen Tag gelang es den Russen im Bereich des linken Nachbarkorps, des LII. Armeekorps, den Dnjepr zu erreichen, dort sofort über zu setzen und erst einen und bald einen zweiten Brückenkopf zu bilden. Dies sollte für die Verteidigung des Dnjepr schwerwiegende Folgen haben. Es kam dazu, weil sich die deutschen Divisionen vor den großen Dnjeprübergängen -vorher in breiter Front zurückgehend- nun bündeln mussten, denn es stand nicht genügend Brückengerät zur Verfügung, um jeden Großverband einen eigenen Übergang über den breiten Strom zu gewähren. In die so entstehenden Lücken zwischen den einzelnen Übergängen war die Rote Armee hineingestoßen und hatte mit Behelfmitteln sofort den Fluss überschritten. Somit war der Gegner früher in den neuen Verteidigungszonen am Südufer des Dnjepr eingetroffen als die deutschen Truppen, die erst von den Brücken aus den jeweiligen Abschnitt erreichen mussten. Den Russen gelang es, an etwa 5-6 Stellen Brückenköpfe auf dem Südufer zu bilden; sie verteidigten sich dort äußerst zäh. Unaufhörlich pumpten sie Verstärkungen in die zunächst kleinen Brückenköpfe, um sie systematisch zu vergrößern. Das deutsche Heeresgruppenkommando Süd hatte diese Gefahr erkannt, konnte aber darauf mangels Reserven nur behelsmäßig reagieren. So sollten die Trosse der jeweiligen Divisionen mit ihren Fahrzeugen als Voraustruppe die befohlenen Abschnitte besetzen und sichern, bis die restlichen Divisionsteile heranmarschiert waren. Diese Maßnahme konnte jedoch auf der 600 km breiten Stromstrecke im Bereich der Heeresgruppe Süd nicht ausreichen. Am 26. September 1943 wurde der große Brückenkopf um Dnjepropetrowsk verengt, da die Truppen nun reihenweise über den Fluss gingen. Evakuierungs- und Räumungstrupps, Divisionen und Trosse zogen in dichten Kolonnen über die beiden großen Dnjepr-Brücken über den Fluss. An diesem Tag setze abends auch das G.R. 81 auf einer Pontonbrücke und im Fährverkehr bei Suchatschewka auf das Südufer über. Das Regiment bezog einen Abschnitt beiderseits Dnjeprodsershinsk. Am 27. September wurde der Brückenkopf weiter verengt; das G.R. 106 ging über die große Eisenbahn-/Straßenbrücke. An diesem Tag wurde der Brückenkopf noch von je einem G.R. der 387., der 46. und der 15. I.D. verteidigt, wobei die 15. I.D. die Befehlsgewalt hatte. Am Abend bestand der Brückenkopf noch aus einem Halbkreis um die Brücken von wenigen 100 Metern Durchmessern. Aus den verteidigenden Regimentern wurden Bataillone, der I a der 15. I.D., Oberstleutnant Willemer, übernahm die Führung der Brückenkopfverteidigung. Gegen Mitternacht sollte die Doppelbrücke über den Dnjepr gesprengt werden, nachdem die letzten deutschen Truppen und Trosse durchgezogen waren. Das Pionierbataillon 15 hatte drei Absetzstellen für die auf dem Nordufer verbleibende Brückenkopfbesatzung mit Sturmbooten und Floßsäcken eingerichtet. Bei Tag und Nacht waren die drei Bataillone in die Übersetzstellen eingewiesen worden. Die Dnjeprbrücke wurde um 0:18 Uhr gesprengt, was für die Brückenkopfbesatzung gleichzeitig das Zeichen zum Übersetzen war. Obwohl die Russen sich bereits mit Infanterie und Panzern bis auf 100 Meter an die Übergangsstellen herangearbeitet hatten, gelang der Übergang der Brückenkopfbesatzung ohne Verluste. Damit war der Rückzug der 15. I.D. hinter den Dnjepr abgeschlossen. "Die Division hatte den Rückzug trotz schwerer Kämpfe und großer Anstrengungen in guter Form und kampfkräftig überstanden. Erleichtert überschritt die Mannschaft das 1000-1400 m breite Wasserhindernis in der Hoffnung, hinter ihm günstige Kampfbedingungen und etwas Erholung von den überstandenen Strapatzen zu finden. Doch dieser Wunsch sollte nur für kurze Zeit in Erfüllung gehen." (Willemer [1], S. 149 / 150) Quelle:  [ 1 ] Der Rückzug der 15. I.D. vom Donez zum Dnjepr im September 1943 (Quelle: Divisionsgeschichte Willemer [1])